#2 Welche Bedeutung haben holistische und seelische Gesundheit für ein glückliches und erfülltes Leben?

Selbstorganisation des inneren Erlebens ‒ das Attraktormodell der Synergetik im Bereich der Psychologie

August 2, 2022

Vielleicht kommt dir der Ausdruck “seelische Gesundheit” seltsam vor? Ungewohnt, aus der Zeit gefallen, ziemlich old school, jedenfalls nicht so modern und wissenschaftsaffin wie die gängigen Begriffe “psychische Gesundheit” oder “mentale Gesundheit”?

Ich verwende den Ausdruck “seelische Gesundheit” bewusst zur Abgrenzung zum Begriff der “psychischen Gesundheit”, wie ihn die traditionelle Schulmedizin ‒ und das recht dominant ‒ in einem engen Sinn belegt: trifft auf einen Mensch eine Reihe bestimmter Krankheitssymptome zu, gilt er nach einem standardisierten Diagnose-Raster (im europäischen Raum: ICD 10 / ICD 11) als “psychisch krank”.  Außerhalb dieses definierten Rasters jedoch gilt er als “gesund”, und zwar ‒ Achtung: hier endet die Präzision schlagartig und die Definition wird plötzlich diffus und unbestimmt ‒ „gesund“ einfach im Sinne von “nicht krank”. 

Das würde in etwa der Logik der Aussage entsprechen: wer sich nicht traurig, verletzt, wütend oder ängstlich fühlt, dem geht es gut. 

Diese Verengung des Begriffs der “psychischen Krankheit bzw. Gesundheit” hat durchaus ihre praktischen Vorzüge, schrammt jedoch aus meiner Sicht am Verständnis der seelischen Gesundheit im positiven, vitalen und glücksnahen Sinne mehr als haarscharf vorbei. 

Schauen wir uns einmal genauer an, worin sich diese “positive, vitale und glücksnahe seelische Gesundheit” von der “psychischen Gesundheit” im Sinne eines (symptomfreien) Zustands des “nicht krank Seins” unterscheidet.

Seelische Gesundheit ‒ die Definition der WHO und das Salutogenese-Konzept von Antonowsky 

Was bedeutet Gesundheit?

In der Satzung der Weltgesundheitsorganisation WHO wird Gesundheit definiert wird als: „ein Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen …” 

Lassen wir uns doch einmal auf der Zunge zergehen, was diese Aussage auf der (zumindest formell) menschheitshöchsten medizinischen Regelungsebene offiziell festschreibt:

1. Gesundheit ist ein positiver Zustand des Wohlbefindens und eben nicht (nur) das Fehlen oder die medizinische “Reparatur” von Krankheit. 

Dieses positive Verständnis von Gesundheit hat bereits in den 1970er Jahren Aaron Antonovsky, der Begründer der Salutogenese, zur Grundlage seiner Arbeit gemacht. Antonovsky sieht die “Pathogenese”, die Erforschung und Behandlung von Krankheiten, auf welcher bekanntermaßen die westliche Medizin schlechthin beruht, zwar als wichtig und notwendig, allerdings auch als einseitig und unzureichend an. Er stellt ihr ergänzend die “Salutogenese” gegenüber: als Beschäftigung mit den Voraussetzungen und Prozessen, welche die Gesundheit in einem positiven und für sich bestehenden Sinn schaffen, fördern und erhalten (#9 Sich in größeren Zusammenhängen begreifen: Lebenssinn, Stimmigkeit und Werte)

Das Bild des Schwimmers

Das Verhältnis dieser beiden Gesichtspunkte zueinander verdeutlicht er mit einer Metapher: Im Strom des Lebens muss ein Mensch schwimmen können. Und nicht nur das: er sollte gut, ausdauernd, geschickt und variantenreich schwimmen können, um im Strom des Lebens so gut wie möglich zu bestehen. Diese Fähigkeit des Schwimmens ‒ eine sich entwickelnde, wachsende Fähigkeit ‒ symbolisiert seine Gesundheit. 

Wird der Schwimmer krank, holt ihn sein Arzt sozusagen aus dem Fluss heraus, behandelt ihn, ”repariert” ihn und entlässt ihn anschließend wieder zurück in den Fluss. Diese Behandlung war notwendig, sogar eine Voraussetzung dafür, weiter schwimmen zu können ‒ nur, und das muss ganz klar unterschieden werden ‒ hat sie nicht das geringste mit den Schwimmkompetenzen des Schwimmers zu tun und ersetzt diese auch nicht.

Ein anderes Beispiel: ein Konzertpianist verletzt sich eine Hand. Technisch ist er nun vorübergehend krank. Die Gesundung seiner Hand ist eine notwendige Voraussetzung für die musikalische Leistung, die er im Konzert erbringt  ‒ macht ihn aber noch nicht zu diesem großartigen Pianisten, der er ist.

Kurz: “nicht krank” sein im schulmedizinischen Sinne und “gesund sein” im salutogenetischen Sinne sind nicht nur nicht dasselbe, es sind sogar zwei ganz verschiedene Qualitäten des gesundheitlichen Befindens. Wer gesund ist, ist zwar nicht krank. Wer nicht krank ist, ist jedoch noch lange nicht automatisch gesund.

2. Gesundheit ist ein ganzheitlicher Zustand, der das gesamte körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlbefinden umfasst (= holistische Gesundheit)

Ein alter Hut? Und als viel zitierter Körper-Seele-Geist-Zusammenhang der Ladenhüter in der Geschichte der menschlichen Selbstreflexion schlechthin? Ok, stimmt. Aber, wenn wir uns diese massive Einseitigkeit vor Augen führen, mit welcher der Begriff der Gesundheit in der Neuzeit auf den körperlichen Aspekt reduziert wird: enthält diese Aussage ‒ trotz gegenläufiger Tendenzen, die zweifellos existieren und sogar zunehmen ‒ nicht immer noch ziemlich viel Zukunftsmusik?

Nun ist das Thema “holistische” bzw. “ganzheitliche Gesundheit” so komplex, dass es den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, es auch nur annähernd zu umreißen. Beschränken wir uns deshalb auf den Strang “seelische Gesundheit” als einen wesentlichen Bestandteil ganzheitlicher Gesundheit und schauen wir uns diesen näher an, speziell in seiner Nähe zur Thematik „Glück, Sinn und Erfüllung“.

Jeder ‒ psychisch gesunde ‒ Mensch kennt durchaus auch Zustände, in welchen er sich überfordert, erschöpft, kraftlos und deprimiert fühlt. Situationen, die mit Belastungen und Störungen verbunden sind, welche seine volle Gesundheit vorübergehend einschränken. 

In der Regel können diese Belastungen mit eigenen gesundheitlichen Ressourcen bewältigt werden. In diesen Fällen reicht die individuelle “Schwimmkompetenz” aus (um bei Antonowskys Metapher zu bleiben), um die aktuelle Störung zu beheben (z. B. als Trauerphase nach einem schweren Verlust, Erholung/Regeneration im Zustand der Erschöpfung oder als eine entschlossene Umorientierung in einer Phase der Stagnation oder Krise).

Oft können Belastungen und Störungen aber auch nicht aus eigener Kraft bewältigt werden. Dies trifft für zahlreiche, beispielsweise einsame, deprimierte, überforderte, unglückliche, verzweifelte oder wie auch immer vom Leben angeschlagene Zeitgenoss(inn)en zu. Für Menschen, die sich im chronischen Stress oder burnout befinden, aus einer schweren Krise nicht herausfinden oder ihr Leiden gar ein gefühltes Leben lang unbewältigt mit sich herumschleppen. 

Dennoch würden es die meisten dieser Personen empört bzw. beschämt von sich weisen, als “psychisch krank” zu gelten. Sind diese Menschen nun eher gesund oder eher krank? Oder gar, folgen wir dem unklaren, aber gängigen Sprachgebrauch: psychisch gesund, jedoch seelisch krank?

Die Übergänge zwischen gesund und krank sind fließend

Dies erläutert der Psychotherapieforscher Rainer Sachse detailliert in seinen Büchern über Persönlichkeitsstörungen. Für ihn sind die sogenannten „Persönlichkeitsstörungen“ (Fachbegriff für eine Kategorie psychischer Störungen mit Krankheitswert) im Kern Kommunikationsstörungen, die in leichter Form beim psychisch gesunden Menschen als „Macken“, „Eigenarten“, „problematische Persönlichkeitsseiten“ weit verbreitet sind, als “normal“ angesehen werden und in einem funktionell intakten Leben durchaus integriert werden können. Krankheitswert gewinnen diese Störungen erst in verschärfter Form und im Zusammenhang mit bestimmten anderen Symptomen, aber eben nicht per se.

Faktoren und Bedingungen seelischer Gesundheit

Seelische Gesundheit im Sinne von Antonowskys “Schwimmer” drückt sich vor allem darin aus, dass sich der seelisch gesunde Mensch grundsätzlich (und im Rahmen normaler Schwankungen) in einem Zustand des Wohlbefindens befindet. Das bedeutet zweierlei: 

  • Das gesamte organismische Eigensystem (der Mensch als vitale Körper-Seele-Geist-Ganzheit) funktioniert im Sinne seiner natürlich-biologischen Anlagen in ausgeglichenen Prozessen. Die Grundbedürfnisse werden befriedigt, der Organismus ist grundversorgt und kann sich im Wesentlichen störungsfrei entwickeln und wachsen. 
  • Und: die inneren und äußeren Anforderungen an den Organismus (einschl. Störungen und Belastungen) sind bewältigbar und beeinträchtigen das Gesamtgleichgewicht und das Wohlbefinden nicht nachhaltig. 

“Ich” und „mein Organismus“

Nun kommt eine Beziehung mit ins Spiel, welche die seelische Gesundheit entscheidend trägt und prägt: das Verhältnis der Person zu sich selbst, die Beziehung zwischen dem bewussten Ich und dem ganzheitlichen, weitgehend unbewussten Organismus bzw. dem Körper.

Das individuelle “Ich”, d. h. unsere bewusste Identität im Sinne von “das bin ich, so kenne und erlebe ich mich, einschließlich meiner Fähigkeiten und Handlungsspielräume”, diese persönliche Ich-Identität, dieses im Innersten äußerst stabile und kontinuierliche Selbstbild und Selbstgespür, erleben wir als Kern und absoluten Bezugspunkt unserer (inneren) Realität. 

Nun ist dieses “Ich”, dieser Ausschnitt unserer organismischen Ganzheit, den wir in unserem Bewusstsein erleben, im Verhältnis zum gesamten Organismus tatsächlich sehr begrenzt. Dies überschätzen wir allerdings bei weitem, weil wir so gnadenlos mit ihm identifiziert sind, frei nach Descartes: “was ich denke, das bin ich”. Zu den engen Grenzen unseres Ich-Bewusstseins siehe: #6 Wie wir ticken – Erleben, Bewusstsein und psychische Selbstorganisation.

Zweifellos ist dieses “Ich” ‒ mit seiner Kompetenz, sich und den gesamten Organismus durch den Lebensalltag zu führen ‒ ein sehr spezielles und wichtiges System. Dennoch ist es als “Untersystem” im tragenden Großsystem “Organismus” integriert und hängt absolut von diesem ab. Und der Organismus hat bekanntermaßen seine eigene, unfassbar hoch entwickelte und “evolutionserprobte” Intelligenz, um sich selbst zu organisieren und zu lenken, sowohl auf der körperlichen wie auf der psychischen Ebene.

Beide Systeme, das Ich und der Organismus, sind sehr unterschiedliche “Instanzen” der Selbststeuerung. Und ‒ das ist nun das entscheidende ‒ die Beziehung dieser beiden “Instanzen” zueinander steuert und prägt, sozusagen in ihrer praktischen Zusammenarbeit, die seelische Gesundheit. Beispiele:

  • “Ich” (= mein Organismus, mein Körper im ganzheitlichen Sinne) fühle mich krank, gestresst, überfordert ‒ trotzdem entscheide “Ich” (jetzt: mein bewusstes, steuerndes Ich), wie ich damit umgehe: Notbremse ziehen oder auf den burnout zusteuern?
  • Die innere Einstellung bzw. der Glaubenssatz “Mir steht es nicht zu, auf meine Bedürfnisse zu achten” kann auf Dauer die Vitalität des Organismus herunterfahren und die Seele in Unglück und Verbitterung abgleiten lassen. 
  • Viktor Frankl, dem Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, gelang es, jahrelang in den Konzentrationslagern der Nazis zu überleben ‒ mithilfe der Erfahrung, dass ihm auch in dieser täglich erlittenen Hölle niemand die innere Freiheit nehmen konnte, seinem Leben einen persönlichen Sinn zu geben.

Diese wenigen, weit gestreuten Beispiele können nur andeuten, welche zentrale und kaum zu überschätzende Rolle das Ich-Bewusstsein für den Organismus einnimmt. Ungeachtet dessen, dass ‒ dies bitte auf der Zunge zergehen lassen ‒ der gesamte individuelle Lebensprozess vom Organismus getragen, gelebt und maßgeblich gesteuert wird (auch wenn das bewusste Ich natürlich “mitspielen darf” und als Spezialist für bestimmte Aufgaben vom Organismus gewisse Kompetenzen eingeräumt bekommt …).

Damit lässt sich “seelische Gesundheit” bis hierher wie folgt beschreiben: 

  • sie ist ganzheitlich und im gesamten Organismus verankert
  • sie ist positiv ausgerichtet, entwickelt und trainiert im Sinne der “Schwimmer-Metapher” 
  • sie basiert auf einem flexiblen und dynamischen Gleichgewicht aller lebens- und entwicklungsrelevanten Prozesse 
  • sie äußert sich als ein flexibler, durchaus frustrationstoleranter, insgesamt jedoch stabiler Zustand des Wohlbefindens (“Ausbaustufe” Glück und Erfüllung mit inbegriffen)
  • sie beruht auf einer harmonischen, ausgeglichenen und kooperativen Beziehung des bewussten “Ich” zur eigenen organismischen (körperlich-seelisch-geistigen) Ganzheit

Diese letztgenannte “harmonische, ausgeglichene und kooperative Beziehung” des Ich zum tragenden ganzheitlichen Organismus hängt wiederum von unterschiedlichen persönlichen Qualitäten ab, die ich, wie im folgenden kurz beschrieben, 3 unterschiedlichen Rubriken zuordnen würde, nämlich: 

  • der Identität: was man bewusst denkt und fühlt, wer man persönlich insgesamt ist
  • den Ressourcen: was man an Fähigkeiten und Mitteln für die seelische Gesundheit und das persönliche Wachstum braucht bzw. zur Verfügung hat
  • und dem Sinn: in welchen größeren Zusammenhängen man sich versteht (Sinn) und orientiert (Werte)

 Diese 3 Rubriken, in der folgenden Darstellung sehr stark zusammengefasst, findest du unter dem jeweils aufgeführten link ausführlicher erläutert.

„1 Identität

“Identität” als erste Rubrik steht für die bewusste (einschließlich gefühlte) Wahrnehmung, wer man ganz persönlich IST. Identität also als Kombination aus laufender Selbsterfahrung und einer gewachsenen, strukturierten und sich permanent weiter entwickelnden Persönlichkeit. Als ein immer wieder neu und anders erlebtes “Das bin ich, das will, kann und tue ich”.

Vor allem die 3 folgenden direkt persönlichkeits-/identitätsbezogenen Aspekte machen das bewusste Verhältnis zu sich selbst zu einer entscheidend wichtigen Stellgröße für die seelische Gesundheit:

  • Bewusstsein: die Entwicklung und der Zustand des eigenen Bewusstseins bzw. der eigenen Reflexionsfähigkeit; Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Präsenz im Alltag und in den Prozessen des eigenen Lebens ‒ das Bewusstsein als “Instrument” und die Pflege dieses Instruments, um wach und offen im eigenen Leben zu stehen
  • Selbstkenntnis: die laufende bewusste und offene Selbsterfahrung; „Selbstaktualisierung“ als Bereitschaft, sich immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen, immer wieder Neues über sich zu erfahren, zu akzeptieren und in das Selbstbild einzubauen; Authentizität als Wert und Ideal; Selbstverwirklichung als Anwendung des “Instruments Bewusstsein”, um die eigene Natur immer vollständiger kennenzulernen, zu ihr zu stehen, ihr zu folgen und sie zu leben
  • Selbstwert: Selbstbewusstsein, Selbstfürsorge ‒ die Entdeckung, Pflege oder Wiederherstellung eines essenziell positiven und liebevollen Selbstwertgefühls.

Eine ausführlichere Darstellung findest du hier: #7 Bausteine der persönlichen Identität: Bewusstsein, Selbstkenntnis und Selbstwert

2 Ressourcen 

Unsere Ressourcen umfassen im Prinzip alles, was wir im Bedarfsfall brauchen und bestenfalls zur Verfügung haben, um es gezielt für unsere Zwecke einzusetzen, z. B. materielle und finanzielle Mittel, Unterstützung von außen oder durch unser soziales Umfeld, vor allem aber: erworbenes Wissen, angeborene oder gelernte Fähigkeiten und unsere gesammelten persönlichen Lebenserfahrungen ‒ was immer wir wissen, können, haben oder sind und dies als “Mittel” für unsere Interessen einsetzen, stellt eine “Ressource” dar.  

Bestimmte Ressourcen brauchen wir natürlich auch, um die seelische Gesundheit aufrechtzuerhalten bzw. um in der Spur von Wohlbefinden, Glück und Erfüllung zu bleiben. In diesem Zusammenhang besitzt das folgende Ressourcentrio einen besonderen Stellenwert (siehe #8 Ressourcen des persönlichen Wachstums: Resilienz, Gelassenheit und Weisheit): 

  • Resilienz: “das Immunsystem der Seele.” Die psychische Widerstandskraft gegenüber überfordernden Stressbelastungen und die Fähigkeit, solche Belastungen ohne (vor allem dauerhafte) Schädigung zu verarbeiten. 
  • Gelassenheit: die Fähigkeit, vor allem in schwierigen Situationen die Fassung oder eine unvoreingenommene Haltung zu bewahren; als “gekonnte Impulskontrolle” die Fähigkeit, sich gegen die eigenen Impulse und Emotionen durchzusetzen. 
  • Weisheit: “… ein tiefgehendes Verständnis von Zusammenhängen in Natur, Leben und Gesellschaft sowie die Fähigkeit, bei Problemen und Herausforderungen die jeweils schlüssigste und sinnvollste Handlungsweise zu identifizieren” (Wikipedia).

3 Sinn

Mit dem “Sinn” schließlich verbinden wir uns mit dem “Ganzen”, was immer dieses “Ganze” für uns sein mag. Gemeint ist der große, übergeordnete Lebenszusammenhang, als dessen kleiner (auch: besonderer?) und abhängiger (auch: getragener?) Teil wir uns empfinden, auf den wir uns einstimmen und von dem wir unsere Lebensorientierung und unsere dauerhaften Werte beziehen (#9 Sich in größeren Zusammenhängen begreifen: Lebenssinn, Stimmigkeit und Werte):

  • der Lebenssinn: siehe #1 Wohlbefinden, Hedonismus, Lebenssinn, oder …? Was brauchen wir wirklich für ein glückliches, sinnvolles und erfülltes Leben?  
  • Stimmigkeit: die Fähigkeit, Widersprüche, Konflikte, unaufgelöste Spannungen und Chaos nicht nur auszuhalten, sondern auch in unserem geschlossenen, hochgradig konsistenzbedürftigen (= stimmigkeitsbedürftigen) Selbst- und Weltbild zu integrieren 
  • Werte: „… Aussagen über das, was wir mit unserem Leben anfangen möchten: wofür wir uns einsetzen und wie wir uns grundsätzlich verhalten wollen. Sie stellen die Leitprinzipien dar, an denen wir uns orientieren und die uns motivieren.“ (Russ Harris)

Zusammenfassung

Gesundheit ist (Definition der WHO) 

  • ein positiver Zustand des Wohlbefindens und nicht (nur) das Fehlen oder die medizinische “Reparatur” von Krankheit
  • sowie ein ganzheitlicher Zustand, der das gesamte körperliche, seelische, geistige und soziale Wohlbefinden umfasst 

Während die ganzheitliche Gesundheit mit ihren hochkomplexen, bis in die Zellvorgänge hineinreichenden Abläufen vom Organismus eigendynamisch ‒ d. h. im Prinzip unabhängig von unserer “Ich-Instanz” ‒ reguliert wird, verfügt das bewusste Ich auf der psychischen bzw. geistig-seelischen Ebene über eine sehr spezielle Bedeutung und Wirksamkeit. Mit unserer Fähigkeit zur Reflexion können wir Gefühle und Gedanken beeinflussen, Einstellungen und Gewohnheiten ändern.

Dabei hängt der beträchtliche Einfluss unserer “Ich-Instanz” auf die seelische Gesundheit von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere 

  • vom Zustand unseres wichtigsten Instruments, dem Bewusstsein bzw. seiner Anwendung in Form von Achtsamkeit, bewusster Lebensregulierung und -gestaltung etc. 
  • Ein große Rolle spielt weiterhin die Ressourcenlage, vor allem hinsichtlich der Qualitäten Resilienz, Gelassenheit und wachsender Lebensweisheit 
  • und nicht zuletzt die Einordnung unseres persönlichen Lebens in einen übergeordneten Sinnzusammenhang und eine stabile, unserem Wesen entsprechende Werteorientierung.

Mit dem Potenzial unseres Bewusstseins, dem Aufbau unserer Ressourcen und der Einsicht in übergeordnete Sinnzusammenhänge haben wir einen immensen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere seelische Gesundheit. Und, entscheidend wichtig: auf unsere Chancen, die gewünschten bzw. ersehnten Zustände von Glück, Lebenssinn und Erfüllung auch zu erreichen. 

Dazu mehr im dritten Teil dieser Serie: #3 Lebensfreude, seelische Gesundheit, Glück, Sinn und Erfüllung: die Spannbreite des seelischen Wohlbefindens.

Literatur

Kabat-Zinn, J. (2003): Gesund durch Meditation. 10. Auflage, Scherz Verlag, Bern

Kaluza, G. (2005): Stressbewältigung, Nachdruck, Springer Medizin Verlag, Heidelberg

Sachse, R. (2004): Persönlichkeitsstörungen. Hogrefe Verlag, Göttingen

Engelmann, B. (2014): Therapie-Tools Resilienz, Beltz Verlag, Weinheim Basel

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